Die Tugend suchen und ihr nach-gehen

Dies haben wir nun, soweit wir es in unserer Unwissenheit vermochten, mit schlichten Worten dargelegt, indem wir leicht überschaubar und klar kurz über die Tugenden und Laster sprachen, damit man ihre Einteilung und ihren Unterschied leicht auseinanderhalten und erkennen könne infolge ihrer feinsinnigen Darlegung. Genau darum nämlich haben wir einen jeden Aspekt mannigfach und vielgestaltig dargelegt, damit nach Möglichkeit keine Eigenschaft der Tugend oder des Lasters unbekannt bleibe; und damit wir die einen, nämlich die Tugenden — und vor allem die seelischen —, durch welche wir uns auch Gott nähern, mutig an uns ziehen, den Lastern aber entgehen, indem wir ihnen eifrig ausweichen.

Denn wahrhaft selig ist, wer die Tugend sucht, ihr nachgeht und sorgfältig danach forscht, was die Tugend ist; denn durch sie nähert er sich Gott und wird mit ihm geistig vereint.

Dies nämlich ist im vollen Sinne untrügliche Klugheit und Tapferkeit, Weisheit und Erkenntnis sowie unentreißbarer Reichtum, daß man durch praktische Tugend zur Beschauung des Schöpfers emporgeführt wird. Tugend aber wird sie genannt, da man sie erwählt. Erwählt“ und gewollt nämlich ist sie, da wir das Gute nach unserer Wahl und aus eigenem Willen heraus tun und nicht ungewollt und aus Zwang. Einsicht aber nennt man es, wenn man im Geist trägt, was nützlich ist.

Wenn du aber willst, fügen wir diesen schlichten Worten noch gleichsam als ein goldenes Siegel ein wenig über die Bildhaftigkeit und Gleichnishaftigkeit des kostbarsten aller Geschöpfe Gottes hinzu; (denn) das geistige und vernunftbegabte Lebewesen, der Mensch, ist als einziges von allen nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen.

(Johannes von Damaskus, Abhandlung, 16)

 

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